Bundesräte an der Klimakonferenz in Dubai

    Vom 30. November bis zum 13. Dezember fand in Dubai die Weltklimakonferenz 2023 statt. Jedes Jahr fliegen über 20’000 klimabewegte Personen an die Klimakonferenzen der Vereinten Nationen. Vergangenen Dezember flogen sie nach Dubai. Schweizer Bundesräte auch.

    (Bild: pixabay) Das Volumen der Schweizer Gletscher ist in den letzten Jahren um 10% geschrumpft.

    Der damalige Bundespräsident Alain Berset hat die Schweiz am 1. Dezember 2023, am Treffen der Staatsoberhäupter zur Eröffnung der 28. UNO-Klimakonferenz (COP28) in Dubai (Vereinigte Arabische Emirate) vertreten. Wichtiges Thema der Konferenz war, wie sich das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, in Reichweite halten lässt.
    Im Zentrum der COP28 stand der sogenannte «Global Stocktake», in dessen Rahmen die Staaten zum ersten Mal gemeinsam Bilanz über die Fortschritte zogen, die unter dem Pariser Übereinkommen erreicht wurden.
    Gemäss Medienmitteilung sagte Alain Berset in Dubai: «Es ist der letzte Moment, um zu handeln und das Ziel zu erreichen, dass die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5 Grad begrenzt bleibt.» Gemäss wissenschaftlichen Erkenntnissen ist die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Niveau bereits um 1,1 Grad gestiegen.»
    Weiter führte er aus: «Für die Schweiz bedeutet eine globale Erwärmung um ein Grad aufgrund ihrer Lage jeweils eine Erwärmung um zwei Grad. Das Abschmelzen der Kryosphäre (das Wasser in den Ozeanen, Meeren, Flüssen und in Gletschern gebunden) und damit der Gletscher beschleunigt sich. In 2022 und 2023 – zwei Extremjahren – schrumpfte das Volumen der Schweizer Gletscher um 10 Prozent.»

    Der Einsatz der Schweiz
    Ohne schnelles und kohärentes Handeln der Weltgemeinschaft werde sich die Situation weiter verschlechtern, betonte Alain Berset gemäss der Medienmitteilung, und weiter: Die Chance, das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, könne nur genutzt werden, wenn sich alle Staaten engagierten.
    Die Schweiz setzt sich dafür ein, dass der «Global Stocktake» die Lücken in der Verminderung der CO2-Emissionen, in der Anpassung an den Klimawandel und bei der Klimafinanzierung aufzeigt. Daraus sollen Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Die Schweiz forderte in Dubai zudem Beschlüsse zum Ausstieg aus Öl und Gas bis 2050 und Kohle bis 2040.

    Kohle gegen Kohlenstoff
    Ein weiteres Thema auf der Agenda der Fonds für Verluste und Schäden. Die Staaten haben sich am Eröffnungstag auf die Grundzüge des Fonds geeinigt. Dieser soll besonders die ärmsten und vom Klimawandel besonders betroffenen Länder unterstützen. Die offizielle Schweiz begrüsst, dass der Fonds schnell seine Arbeit aufnehmen kann. Sie hätte sich jedoch gewünscht, dass alle Länder, welche einen hohen Ausstoss und die finanziellen Mittel haben, zu Beiträgen aufgefordert werden.
    Vor diesem Hintergrund wird die Schweiz in den nächsten vier Jahren 135 Millionen Franken für den Grünen Klimafonds (Green Climate Fund, GCF) bereitstellen, 15 Millionen Franken für den Anpassungsfonds (Adaptation Fund, AF), 15 Millionen Franken für das Klimafenster der Afrikanischen Entwicklungsbank, 5 Millionen Franken für den Amazonasfonds und 1 Million Franken für das Santiago-Netzwerk. Dieses Netzwerk aus UNO-Institutionen und NGOs unterstützt von Katastrophen betroffene Länder mit technischer Hilfe, zum Beispiel beim Aufbau von Frühwarnsystemen.

    Auch Bundesrat Rösti zugegen
    Auch Bundesrat Albert Rösti, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), hat die Schweiz an der COP28 vertreten. Er hat sich an den Verhandlungen auf Ministerstufe und bei der Beschlussfassung der Konferenz eingebracht. Unter anderem hat er mit mehreren Partnerländern weitere bilaterale Abkommen für Emissionsreduktionsprojekte unterzeichnet, so die Medienmitteilung.

    Henrique Schneider


    Klimakonferenz: Fonds für Verluste und Schäden

    Verluste und Schäden (in der Sprache der Klimakonferenz: Loss and Damage) können definiert werden als «die tatsächlichen und/oder potenziellen Auswirkungen des Klimawandels in Entwicklungsländern, die sich negativ auf menschliche und natürliche Systeme auswirken». Dafür wollen diese Länder Geld. Von uns.

    «Verlust» ist die dauerhafte negative Auswirkung des Klimawandels. «Schaden» bezieht sich auf die Auswirkungen, die rückgängig gemacht werden können. Es wird auch zwischen vermeidbaren (durch Minderungs- und Anpassungsmassnahmen) und unvermeidbaren Verlusten und Schäden unterschieden.

    Harte Verhandlungen
    Die Verhandlungen über Verluste und Schäden beruhen auf dieser groben Analyse: Industrie- und Entwicklungsländer könnten von der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung profitieren, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass.
    Die Industrieländer, die den grössten Anteil an den externen Effekten haben, mussten jedoch nie für sie bezahlen. Es sind die Entwicklungsländer, die die Folgen tragen. Daher sollten die Industrieländer Geld an die Entwicklungsländer überweisen, um deren unterschiedliche Belastung durch externe Effekte auszugleichen.
    Im Jahr 2012 beschloss die COP18, sich mit Verlusten und Schäden zu befassen. Auf der COP27 im Jahr 2022 einigten sich die Regierungen darauf, einen Fonds und einen «Übergangsausschuss» einzurichten. Es wird erwartet, dass dieser Ausschuss auf der COP28 Empfehlungen zur Umsetzung des Fonds vorlegen wird. Ein Jahrzehnt lang kämpften die Industrieländer gegen das Konzept der Verluste und Schäden oder zumindest gegen die übliche Analyse, wer die Lasten der Entwicklung trägt.
    Doch dann, im Jahr 2022, schwächelte die Europäische Union (EU). Die EU akzeptierte das Konzept von Verlusten und Schäden und einen damit verbundenen Fonds. Als die EU ihre Position änderte und die Einrichtung eines neuen Fonds für Verluste und Schäden akzeptierte, hatten einige andere Industrieländer, z. B. die USA, das Vereinigte Königreich und die Schweiz, das Gefühl, dass sie dies nicht verhindern konnten. Einige Länder, die sich weigerten, stimmten zu und versprachen, sich auf strenge Methoden und Strategien zu konzentrieren, die der Fonds anwenden sollte.

    Umstrittenes Konzept
    Verluste und Schäden sind ein umstrittenes Thema, da es ihnen an Kohärenz und Konsistenz mangelt. Die Vertragsparteien der COP akzeptierten jedoch Verluste und Schäden als eine Kategorie und einigten sich auf die Einrichtung eines Fonds, um sie anzugehen. Dieser Fonds soll als Mittel zur Entschädigung einiger Länder dienen, die angeblich die Last der externen Effekte zu tragen haben.
    Es handelt sich also um eine Art Wiedergutmachung, wenn auch nicht in dem Sinne, dass einzelne Länder rechtlich zur Zahlung von Schadenersatz für vergangene Handlungen verpflichtet wären. Das Konzept, für vergangene Handlungen zu zahlen, ist jedoch ein wichtiges Element von Loss and Damage, so dass es durchaus als eine Art von Reparationen erscheint.
    Es ist wichtig zu beachten, dass Klimaaktivisten oft von Reparationen sprechen. Einige Länder, darunter die USA, sind besorgt, dass der Loss and Damage Fund die Idee eines rechtlich durchsetzbaren Reparationsprogramms für den Klimawandel einführen könnte. Neben der Besorgnis, dass der Fonds Reparationszahlungen suggerieren oder zu diesen führen könnte, gibt es noch mehrere andere strittige Probleme mit Loss and Damage.

    Welche Verluste, welche Schäden?
    Erstens konzentriert sich die Diskussion über Verluste und Schäden nur auf negative externe Effekte. In dieser Diskussion wird davon ausgegangen, dass jeder Nutzen aus Handel, Logistik, Forschung, Bildung, Elektrifizierung, Innovation usw. aufgrund des damit verbundenen Preismechanismus automatisch vergütet wird. Das ist einfach falsch. Für die meisten dieser Aktivitäten gibt es zwar einen Preismechanismus, aber sie erzeugen neben dem direkten Nutzen für die Beteiligten auch positive externe Effekte.
    Abgesehen von dem wirtschaftlichen Nutzen, der sich beispielsweise daraus ergibt, dass Sri Lanka in die globale Produktionskette des Schiffbaus eingebunden ist, geht es dem Land durch diesen Handel generell besser. Es hat eine diversifiziertere und widerstandsfähigere wirtschaftliche Basis. Menschen, die in dieser Branche arbeiten, steigen in der Regel sozial auf, und ihre Kinder haben eine bessere Ausbildung und Gesundheitsversorgung. Diese indirekten Vorteile sind ein Nebenprodukt von Sri Lankas Exporten in der Schifffahrtsindustrie und werden in den Exportgütern nicht eingepreist.
    Ein weiteres Beispiel: Der Verkauf und Konsum von Lebensmitteln beruht auf einem Preismechanismus. Aber der Gesamteffekt des Handels, der 80 Prozent des Hungers in der Welt verringert hat, und seine Vorteile, z. B. in Bezug auf Bildung, Langlebigkeit oder menschliche Entwicklung, haben keinen direkten Preis. Es handelt sich um positive externe Effekte des Verkaufs und der Beförderung von Lebensmitteln. Wenn es bei Verlust und Schaden um die Preisbildung für externe Effekte geht, sollten sowohl negative als auch positive externe Effekte berücksichtigt werden.

    Wie messen?
    Zweitens sind die Methoden zur Modellierung und Messung von Verlusten und Schäden umstritten. Die bisher vorgeschlagenen Methoden wurden von den Entwicklungsländern abgelehnt. Einer der Gründe für diese Ablehnung ist, dass diese Methoden häufig die Landnutzung, wie Land- und Forstwirtschaft, in die Berechnung einbeziehen, was die Entwicklungsländer als Benachteiligung empfinden. Entwicklungsländer haben in der Regel einen viel höheren Anteil an Landnutzung an ihrem BIP als Industrieländer und haben eine reiche Geschichte der Entwicklung durch die Nutzung des Landes, z. B. durch die Landwirtschaft.
    Denkt man an Brasiliens und Argentiniens Kaffee-, Milch- und Fleischexporte. Oder an an den Ölsektor Nigerias. Oder an die Urbanisierung Chinas. Bis zu einem gewissen Grad besteht Einigkeit darüber, dass die Energieerzeugung, die Industrialisierung, die Bautätigkeit und andere menschliche Aktivitäten zu den aufgeführten Ursachen des anthropogenen Klimawandels gehören. Kein Konsens besteht jedoch in der Frage, ob auch die Landnutzung, wie Land- und Forstwirtschaft, einbezogen werden soll. Die Entwicklungsländer wollen die Methoden nicht auf Emissionen aus der Landnutzung ausdehnen, obwohl diese mit diesem Sektor verbunden sind. Diese Haltung unterstreicht, dass Loss and Damage in erster Linie eine politische Forderung ist, die nicht für technische Entwicklungen offen ist.
    Schliesslich ist Loss and Damage nur eine Möglichkeit für Entwicklungsländer, über das globale Klimaregime an Finanzmittel zu gelangen. An sich ist dies kaum mit dem globalen Klimaregime zu vereinbaren, bei dem es, nun ja, um das Klima geht. Noch problematischer wird es, wenn man bedenkt, dass dieses Regime bereits über eine eigene Finanzierungsschiene verfügt. Dieser neue Fonds für Schäden und Verluste wird zusätzlich zum Klimafinanzierungsfonds eingerichtet.

    Henrique Schneider

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